Thoralf Knote ist seit Mai 2021 Honorarprofessor für „Sicherheit des automatisierten Straßenverkehrs" an der Fakultät Verkehrswissenschaften „Friedrich List“.

Als Leiter der Abteilung Verkehrssicherheit und Fahrzeugautomatisierung am Dresdener Fraunhofer-Institut für Verkehrs- und Infrastruktursysteme (IVI) langweilt sich Prof. Dr.-Ing. Thoralf Knote (54) wirklich nicht. Warum er sich daneben dennoch mit viel Herzblut als Honorarprofessur für die Lehre an der TU Dresden engagiert, welche Rolle dabei im positiven Sinn ein „Virus“ spielt (der mal nichts mit Corona zu tun hat), was seine aktuellen Forschungsthemen sind und warum sich für ihn das Betreten der Fakultät wie ein „Nach-Hause-Kommen“ anfühlt, hat der geborene Leipziger in einem Interview mit „Verkehrslage“ erzählt.

Verkehrslage (V): Herr Prof. Knote, die Fakultät ist Ihnen nicht ganz fremd, nicht wahr?

Prof. Knote (schmunzelt): In der Tat, sie ist mir sogar sehr vertraut. Ich bin quasi ein Kind der Fakultät – und sogar seiner Vorgängerin, der Hochschule für Verkehrswesen (HfV). 1990 habe ich an dieser mein Studium in Verkehrsingenieurwesen begonnen. Mittendrin, 1992, erfolgte die Einbindung der HfV als Fakultät in die TU Dresden.

V: War das ein großer Bruch für Sie und die anderen Studierenden?

Prof. Knote: Wir Studenten haben das praktisch nicht gespürt. So unsicher die Zeiten damals erschienen, empfanden wir das Vorgehen der handelnden Personen als extrem professionell. Ich war zunächst in der Studienrichtung Verkehrswissenschaften mit Spezialisierung Eisenbahn, da ich von der Deutschen Reichsbahn delegiert worden war. Die für uns vorgesehene Laufbahn nach dem Studium gab es so in dieser Form bei der Bundesbahn nicht. Ich konnte damals unkompliziert die Spezialisierungsrichtung wechseln. Dafür bin ich den Verantwortlichen bis heute sehr dankbar. Ich habe bei Professor Rüger eine Spezialisierung gemacht und eine Zweitspezialisierung bei Professor Loose und Professor Schnabel in der Verkehrsplanung- und Straßenverkehrstechnik.

V: War damit Ihr Weg zum Spezialisten für die „Sicherheit des automatisierten Straßenverkehrs“ – wie Ihre Honorarprofessur heißt, in Verbindung mit der Mensch-Maschine-Interaktion vorgezeichnet?

Prof. Knote: Nicht vorgezeichnet, aber es hat sich in den vergangenen 27 Jahren seit meinem Studienabschluss aufeinander aufgebaut. Meine Dissertation, 2002 hier an der Fakultät im Fachgebiet Straßenverkehrstechnik abgelegt, befasst sich mit der „Kapazität von Nebenströmen auf Vorfahrtknoten“. Grundlage war eine modelltheoretisch unterlegte Verkehrsablaufsimulation, bei der Interaktionen zwischen Verkehrsteilnehmenden im Vordergrund standen. Das vertiefte sich, als ich zwischen 2006 und 2015 am Fraunhofer IVI den Fahrsimulator betreute, mit dessen Hilfe u. a. Untersuchungen zu Mensch-Maschine-Schnittstellen für Pkw erfolgten. Im Vordergrund stand dabei das Verhalten von Fahrzeugführenden im Spannungsfeld zwischen komplexen Verkehrsabläufen und dem Fahrzeug, jeweils mit und ohne Fahrerassistenzsysteme.

V: Wo sehen Sie die Potenziale sowie die Risiken beim vernetzten und (teil-)automatisierten Fahren?

Prof. Knote: Im Vergleich zu vielen Kolleginnen und Kollegen habe ich dazu eine abweichende Meinung. Ich denke, dass ein hochautomatisiertes oder gar autonom fahrendes Fahrzeug ohne Interaktion mit anderen Fahrzeugen und ohne Interaktion mit der Umgebung mit vernünftigem Reisekomfort und in vernünftiger Reisegeschwindigkeit sein Ziel erreichen muss. Das sollte nicht abhängen von anderen Fahrzeugen und der Infrastruktur. Da werden dann Verantwortlichkeiten verschoben, von denen ich nicht glaube, dass Sie auf Dauer halten. Die Forderungen der Ethikkommission besagen das auch: Hochautomatisierte oder autonome Fahrfunktionen nur dann, wenn deutlicher Sicherheitsfortschritt gegenüber personengelenkten Fahrzeugen zu verzeichnen ist.

V: Liegt der Traum vom voll automatisierten Fahren also noch in weiter Ferne?

Prof. Knote: Da sind wir noch mehr als ein Jahrzehnt von entfernt. Ich glaube, die Gesellschaft ist sich noch nicht voll im Klaren darüber, was das tatsächlich bedeutet, wenn Fahrzeuge führerlos durch die Gegend fahren sollen – deshalb auch die Forderungen der Ethikkommission. Dafür müssen noch wichtige Grundlagen rund um Sensorsysteme, deren Sicherheitstestverfahren und Datengrundlagen geklärt werden. Die Sicherheit muss immer an erster Stelle stehen.

V: Vermitteln Sie das auch Ihren Studierenden?

Prof. Knote: Ja, ich möchte das Thema Sicherheit stärker in die Lehre einbringen. Je automatisierter der Verkehr wird, umso wichtiger wird der Aspekt der Sicherheit. Hierzu gehe ich in meinen Vorlesungen an der Professur für Kraftfahrzeugtechnik tiefer auf die für hoch automatisierte Fahrfunktionen wichtige ISO-Norm 26262 ein. Ein umfassendes Werk, das die Planungs-, Entwicklungs- und Testungsvorgaben für bestimmte Funktionen in Fahrzeugen vorgibt. Angehende Fahrzeugentwickler sollten im Studium davon gehört haben.

V: Das Thema Lehre zieht sich durch Ihre Biographie. Woher kommt Ihr Antrieb, sich dafür – neben Ihrem eigentlichen Beruf am Fraunhofer IVI – zu engagieren?

Ich habe mir mal vor 32 Jahren einen Virus eingefangen. Und dieser lautet: Spaß an der Wissensvermittlung. Während meines Fachabiturs an der Seefahrtshochschule in Wustrow sind drei oder vier Kommilitonen auf mich zugekommen und baten mich, ihnen bei der Vorbereitung auf die Physikprüfung zu helfen. Mir lag das Fach. Wir sind dann in einen Seminarraum gegangen und ich habe eine Mischung aus Vorlesung und Übung gemacht. Da habe ich gemerkt: Mensch, das macht mir Spaß. Dann ging es mit Mathe weiter. Da saßen schon sechs vor mir. Ich habe mir richtig Aufgaben ausgedacht mit Lösungen. Und irgendwann saß ich vor zwanzig Leuten. Ja, das ist dann ein bisschen aus dem Ruder gelaufen. (lacht)

V: Und Ihre Lehrtätigkeit an der Fakultät, welchen Ursprung hat die?

Prof. Knote: Ich war hier sechs Jahre lang wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Professor Schnabel. Gleich zu Beginn war eine Bedingung meinerseits, dass ich eine eigene Lehrveranstaltung halten darf. Das war nicht üblich und er hat kurz geschluckt – mich dann aber machen lassen. Meinen Spaß an der Wissensvermittlung habe ich in der Zeit voll ausgelebt. Und dann fasst es mich innerlich auch ein bisschen an, in meine alte Heimat, den Verkehrswissenschaften an der TU Dresden, zurückzukehren. Ich habe hier studiert, ich habe hier meine erste Vorlesung gehalten, ich habe hier gearbeitet. Ich war hier immer sehr zufrieden.

V: Was ist Ihr Ansatz bei der Vermittlung von Lehre?

Prof. Knote: Ein (Hochschul-)Lehrer ist ein Wissensvermittler. Ich vermittle Fakten. Während meiner Studienzeit gab es einen großen Diskurs, insbesondere unter den Lehrenden, worin die Schwerpunkte in der Ausbildung von Verkehrsingenieuren liegen sollen. Da kämpften zwei Positionen: die Vertreter einer Generalisten-Ausbildung und diejenigen, die meinten, die Absolventen sollten einen Überblick über Zusammenhänge haben und in bestimmten Bereichen vertieft mit Faktenwissen ausgestattet sein. Ich gehöre eher zur zweiten Gruppe. Ich bin ein großer Fan von Vorlesungen mit der Möglichkeit, Fragen zu stellen. Auch halte ich es für extrem wichtig, in Vorlesungen vermitteltes Wissen anhand von Übungen oder Hausaufgaben zu vertiefen. Zwingen kann ich die Studierenden nicht. Ich weiß aber, dass viele das Angebot nutzen.

V: Lassen Sie uns noch einen Bogen zwischen dem Fraunhofer-Institut für Verkehrs- und Infrastruktursysteme (IVI) und der Fakultät spannen. Gibt es da Berührungspunkte?

Prof. Knote: Auf jeden Fall. Wir am IVI haben mit verschiedenen Professuren der Fakultät schon Projekte gemacht. Studierende der Fakultät sind als wissenschaftliche Hilfskräfte, Praktikanten oder mit Abschlussarbeiten bei uns. Wir haben durch unsere Kunden einen sehr starken Praxisbezug. Die TU Dresden ist bzgl. der methodischen Grundlagen besser. Ich würde die Zusammenarbeit, dort wo es passt, als eine positive Symbiose bezeichnen.

V: Man merkt, sie brennen für Ihre Themen, ob Forschung oder Lehre. Was motiviert Sie?

Prof. Knote: Ich finde es extrem motivierend, Früchte meiner Arbeit zu sehen, wie z. B. den ersten schnellladefähigen Batteriebus auf der Linie 61 in Dresden. Und dann zu wissen, ich habe daran mitgewirkt und einen Beitrag für die Mobilität von morgen geleistet. Das Gefühl wünsche ich mir auch für den Bereich Sicherheit. Durch Forschung oder in der Lehre durch die Ausbildung von Studierenden dazu beigetragen zu haben, die Verkehrssicherheit zu erhöhen – nicht nur beim vernetzten und automatisierten Fahren, aber insbesondere dort. Ich bin zuversichtlich, dass es einen solchen Input für mich eines Tages geben wird.

V: Vielen Dank für das Gespräch

Prof. Dr.-Ing. Thoralf Knote

Porträt eines Mnnes
© privat

Honorarprofessor für „Sicherheit des automatisierten Straßenverkehrs"

– angebunden an die Professur für Kraftfahrzeugtechnik –

Fakultät Verkehrswissenschaften „Friedrich List“, TU Dresden

E-Mail: thoralf.knote@ivi.fraunhofer.de

Ich glaube, die Gesellschaft ist sich noch nicht voll im Klaren darüber, was das tatsächlich bedeutet, wenn Fahrzeuge führerlos durch die Gegend fahren sollen (...) Dafür müssen noch wichtige Grundlagen rund um Sensorsysteme, deren Sicherheitstestverfahren und Datengrundlagen geklärt werden. Die Sicherheit muss immer an erster Stelle stehen.

Prof. Dr.-Ing. Thoralf Knote, Verkehrswissenschaften, TU Dresden

Zur Person – Prof. Dr.-Ing. Thoralf Knote (Auszüge)

- 1984 – 1986 Ausbildung zum Facharbeiter für Eisenbahntransporttechnik in Ost-Berlin

- 1990 – 1992 Studium des Verkehrsingenieurwesens an der Hochschule für Verkehrswesen „Friedrich List“

- 1992 – 1995 Weiterführung des Studiums an der Fakultät Verkehrswissenschaften „Friedrich List“ der TU Dresden, Spezialisierung: Öffentlicher Personennahverkehr, Verkehrsplanung, Straßenverkehrstechnik

- 1995 – 2001 Arbeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Verkehrsplanung und Straßenverkehr der TU Dresden; Lehrtätigkeit (Seminare, Vorlesungen) in den Fächern Straßenverkehrstechnik, Straßenverkehrssicherheit, Verkehrstechnisches Entwerfen

- 2002 Vorlesungen im Fach Straßenverkehrstechnik an der Universidad Nacional de Colombia, Kolumbien

- 2002 Dissertation im Fachgebiet Straßenverkehrstechnik an der Fakultät Verkehrswissenschaften „Friedrich List“ der TU Dresden im Jahr 2002

- Seit 2002 am Fraunhofer-Institut für Verkehrs- und Infrastruktursysteme (IVI) als (2001 – 2004), Gruppenleiter (2004 – 2008), Abteilungsleiter Fahrzeug- und Verkehrssystemtechnik mit 45 Mitarbeitenden (2008 – derzeit)

- Seit 2009 Gastdozent an der Fakultät Verkehrswissenschaften „Friedrich List“ der TU Dresden im Fach Straßenverkehrstechnik

- Seit Mai 2021 Honorarprofessor für „Sicherheit des automatisierten Straßenverkehrs" an der Fakultät Verkehrswissenschaften „Friedrich List“, angebunden an die Professur für Kraftfahrzeugtechnik (Leiter: Prof. Günther Prokop). Für diese und für die Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik (Leiterin: Prof.in Regine Gerke) ist er in ganz bestimmten Themenfeldern in der Lehre tätig.