Internationale Studie des Imperial College London unter Beteiligung der Dresdner Verkehrsforscherin Prof. Regine Gerike.

Eine internationale Studie unter der Leitung von Forschenden des Imperial College London hat die Auswirkungen der täglichen Fahrt mit verschiedenen Verkehrsmitteln auf die galvanische Hautreaktion (GSR) als ein objektives Ersatzmaß für Stress untersucht und herausgefunden, dass die aktive Fortbewegung in Städten, also zu Fuß oder mit dem Rad, gegenüber der motorisierten Fortbewegung den Stress reduziert. Prof.in Regine Gerike, Leiterin der Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik an der Fakultät Verkehrswissenschaften „Friedrich List“ der TU Dresden, war als Autorin an dem Projekt beteiligt.

Stress ist eine der vielen Beschwerden, die mit dem Leben in der Stadt verbunden sind, wobei der tägliche Verkehr eine potenzielle Hauptursache darstellt. Aktive Fortbewegung wird im Vergleich zu anderen Verkehrsmitteln mit einem geringeren Stressniveau in Verbindung gebracht.

GSR-Sensoren ideal für die Untersuchung von Stressreaktionen

Als Ersatzmaß für die Messung von Stress wird die die galvanische Hautreaktion (GSR) verwendet. Die GSR ist ein Maß für die kontinuierlichen Veränderungen des elektrischen Leitwerts der Haut. Es wird davon ausgegangen, dass der Hautleitwert mit dem Zustand der Schweißdrüsen in der Haut variiert, der wiederum durch das autonome Nervensystem (ANS) reguliert wird - eine Erregung des sympathischen Zweigs des ANS beeinflusst die Schweißdrüsen, mehr Schweiß zu produzieren, was wiederum die Hautleitfähigkeit erhöht. Daher wurden die Messungen des GSR auch dazu verwendet, psychologische oder physiologische Erregung anzuzeigen. GSR-Messungen können mit tragbaren Sensoren wie dem BodyMedia kontinuierlich, nicht aufdringlich und nicht belastend durchgeführt werden. GSR-Sensoren eignen sich daher ideal für die Untersuchung von Stressreaktionen auf die täglichen Routinen von Personen in ihrer eigenen realen Umgebung, z. B. auf Reisen.

Das internationale Autor:innen-Team sammelte im Rahmen der PASTA-Studie (Physical Activity through Sustainable Transport Approaches) die Daten von 122 Teilnehmern in drei europäischen Städten, darunter: GSR-Messungen im Minutentakt zusammen mit Störfaktoren (körperliche Aktivität, körpernahe Temperatur) während drei separaten Wochen zu drei Jahreszeiten; sowie soziodemografische und Reiseinformationen mittels Fragebögen. Kausale Zusammenhänge zwischen dem Reisen mit verschiedenen Verkehrsmitteln (die "Behandlung") und Stress wurden mit Hilfe eines Propensity-Score-Matching-Ansatzes (PSM) hergestellt, um potenzielle Störfaktoren auszugleichen und lineare gemischte Modelle (LMM) mit Personen als Zufallseffekten zu schätzen, sowie um wiederholte Messungen zu berücksichtigen. In drei separaten Analysen wurden die GSR beim Radfahren mit denjenigen beim Nicht-Radfahren verglichen, dann beim Gehen mit denjenigen beim Nicht-Gehen und anschließend beim motorisierten (öffentlichen oder privaten) Verkehr mit jeder anderen Aktivität als dem motorisierten Verkehr.

Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass Radfahren den GSR um bis zu 11 % im Vergleich zu anderen Aktivitäten, bei denen nicht geradelt wird, reduziert. Zu Fuß gehen reduziert den GSR um bis zu 6 % im Vergleich zu anderen Aktivitäten, bei denen man nicht zu Fuß geht. Motorisiertes Fahren erhöht den GSR um bis zu 1 % im Vergleich zu allen anderen Aktivitäten außer motorisiertem Fahren.

Aktive Mobilität bietet also eine willkommene Möglichkeit, den Stress im Alltag von Stadtbewohnern zu reduzieren. Stress kann zu der wachsenden Zahl von nachgewiesenen Gründen für die Förderung des aktiven Verkehrs in Städten hinzugefügt werden.

Studie unterstützt vom EU-Projekt PASTA – Verbindung von Verkehr und Gesundheit

Diese Arbeit wurde durch das europäische Projekt Physical Activity through Sustainable Transportation Approaches (PASTA) unterstützt.  Das Projekt zielte darauf ab, Verkehr und Gesundheit miteinander zu verbinden, indem aktive Mobilität in Städten (d. h. zu Fuß gehen, Rad fahren oder E-Biken, auch in Kombination mit der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel) als innovativer Weg zur Integration von körperlicher Aktivität in unseren Alltag gefördert wird.

Prof.in Regine Gerike war von Beginn an am PASTA-Projekt beteiligt – von der Erarbeitung der Antragskizze über Koordinierungsaufgaben bis hin zu inhaltlichen Ausarbeitungen wie der Erarbeitung eines Forschungs- und Erhebungskonzeptes und der Umsetzung der großen empirischen Erhebung an den verschiedenen Standorten.

Hintergrund

Die Städte stehen im Mittelpunkt zahlreicher gesundheitlicher und sozialer Herausforderungen. Nicht übertragbare Krankheiten beispielsweise fordern jedes Jahr 41 Millionen Todesopfer und werden durch Faktoren verursacht, die mit der Urbanisierung zusammenhängen, wie Bewegungsmangel, schlechte Ernährung und Luftverschmutzung. Städte bieten jedoch auch Lösungen für viele dieser Krankheiten, indem sie Wohlstand schaffen, die Kreativität fördern und Möglichkeiten für ein nachhaltiges Leben bieten. Die Bevölkerungsdichte in Städten ermöglicht eine intensive Nutzung der Infrastruktur, wodurch theoretisch der Bedarf an motorisiertem Individualverkehr minimiert wird und Alternativen wie Gehen und Radfahren möglich sind. Viele Städte sind jedoch nicht so geplant, dass sie diese Möglichkeiten optimal nutzen können.

Trotz der zunehmenden Anerkennung der vielfältigen Vorteile einer aktiven Verkehrspolitik haben nur wenige Städte ehrgeizige Programme zu deren Förderung entwickelt. Aktives Reisen ist eine praktikable, umweltfreundliche Verkehrsoption und gleichzeitig ein bequemes und wirtschaftlich erschwingliches Mittel, um körperliche Aktivität in den Alltag zu integrieren. Im Vergleich zum Autofahren ist es platzsparend und kann daher öffentlichen Raum für andere nützliche Zwecke wie Grünflächen freimachen. Es stellt sich jedoch die Frage, ob das Radfahren zur Bewältigung der Herausforderungen beitragen kann, die das Leben in der Stadt für die Bürger mit sich bringt.

Die Studie

Xiuleng Yang, Emma McCoy, Esther Anaya-Boig, Ione Avila-Palencia, Christian Brand, Glòria Carrasco-Turigas, Evi Dons, Regine Gerike, Thomas Goetschi, Mark Nieuwenhuijsen, Juan Pablo Orjuela, Luc Int Panis, Arnout Standaert, Audreyde Nazelle: The effects of traveling in different transport modes on galvanic skin response (GSR) as a measure of stress: An observational study (November 2021)

Prof.in Regine Gerike