Studie von Verkehrswissenschaftlern der TU Dresden zur Inselbahn Langeoog gibt Empfehlungen für umweltfreundlichere Antriebstechnik.

Wie können Bahnstrecken mit Dieselantrieb mit Blick auf Klimaschutz und Nachhaltigkeit zukünftig betrieben werden? Mit dieser Frage setzten sich auch der Bahnbetrieb der Nordsee-Insel Langeoog und Verkehrswissenschaftler der TU Dresden auseinander.

Die Insel Langeoog stellt einen verkehrstechnisch interessanten Fall dar. Sie ist für Besucher:innen nur mit dem Schiff und dem Flugzeug erreichbar. Auf der Insel fahren bis auf wenige Ausnahmen (Elektrofahrzeuge samt Anhänger) ausschließlich die Inselbahn sowie Fahrräder und Kutschen. Die Schiffe und die Bahn werden mit Dieselmotoren betrieben. Die Motoren der Triebfahrzeuge der Inselbahn sind seit 1995 im Einsatz. Zeit, sie „in den Ruhestand“ zu schicken oder wenigstens einer gründlichen Überholung zu unterziehen. Doch welche Antriebstechnik soll folgen?

Um diese Frage zu beantworten bzw. fundierte Empfehlungen zu erhalten, nahm die Inselverwaltung Kontakt zu den Verkehrswissenschaften der TU Dresden auf – konkret zur Professur für Elektrische Bahnen unter der Leitung von Prof. Arnd Stephan. Das Team wurde von der Inselgemeinde beauftragt, eine Umstellung auf mögliche alternative umweltfreundliche Antriebstechniken zu prüfen.

Erste Bestandsaufnahme: Inselbahn als Lebensader

Eine Dienstreise samt erstem Gespräch und Sichtung der Gegebenheiten auf Langeoog fand im November 2021 statt. Wichtig war für die beteiligten wissenschaftlichen Mitarbeiter Tobias Bregulla und Nyascha Thomas Wittemann, sich einen Überblick über die infrastrukturellen, betrieblichen, technischen und umweltbezogenen Rahmenbedingungen auf Langeoog zu verschaffen. Aspekte wie Naturschutzgebiete oder eventuelle Flutungen des Hafengebietes mussten mit einbezogen werden. Das Ziel der Studie war, den Status quo, insbesondere wegen der noch für viele weitere Jahre einsetzbaren Wagen, weitestgehend zu erhalten und dafür eine betrieblich machbare Antriebslösung zu finden, denn die Inselbahn bildet die Hauptverkehrs- und Lebensader der Insel, vor allem für den Tourismus. Außerdem wurden Vorstellungen der Auftraggeber:innen sowie vorhandene Unterlagen (Verbrauchsdaten, Fahrplan, Fahrzeugpläne) in das weitere Vorgehen einbezogen.

Batterie- oder Wasserstoffantrieb? Auch eine Frage der Wirtschaftlichkeit!

Nach dieser ersten Bestandsaufnahme erfolgte als nächster Schritt eine Prüfung alternativer Antriebsformen zum Dieselmotor. Hierzu gehörten Wasserstoff, umweltfreundlichere synthetische Kraftstoffe oder ein Betrieb mit Batterie. Eine konventionelle elektrische Lösung mit Oberleitung ist aufgrund der Gegebenheiten auf der Insel, bspw. aufgrund des Naturschutzes, nicht umsetzbar, eine wasserstoffbetriebene Lösung wurde aufgrund von Unwirtschaftlichkeit nach eingängiger Untersuchung ausgeschlossen.

Bei allen untersuchten Möglichkeiten war es wichtig, aktuelle Fahrzeugausstattungen (z. B. Heizung und Steuerung der Wagen) zu bedenken und mögliche Anpassungen der Technik einer Prüfung durch ein Hersteller-Unternehmen zu unterziehen.

Anschließend erstellten die Verkehrswissenschaftler verschiedene Simulationen, um den tatsächlichen direkten Dieselverbrauch besser erfassen zu können. Eine konzipierte Fahrdynamiksimulation diente z. B. der Berechnung einer möglichen Batterie (Größe, Energiebedarf), die auch das Heizen des Wagenzuges und die Beleuchtung abdeckt. Zusätzlich ging es um die Frage, ob eine komplette Neuanschaffung oder nur ein Umbau der vorhandenen Triebfahrzeuge erfolgen sollte.

Nach Abschluss aller Untersuchungen und deren Auswertung empfahlen die TUD-Wissenschaftler der Bahn- und Inselleitung eine batterieelektrische Variante als Vorzuglösung, auch weil sich diese unter emissionstechnischen, betrieblich-technischen und wirtschaftlichen Aspekten als am geeignetsten herausstellte.

Besonderer Forschungsort als Herausforderung

Für den Diplom-Ingenieur Tobias Bregulla war die Inselbahn Langeoog „ein neues, ansprechendes und spannendes Projekt“. So sei eine Insel ein eher untypischer Forschungsort. „Auch die Umstellung vom Forschungsfeld der ,großen Eisenbahn‘ auf ein kleines Spezialgebiet wie eine Inselbahn hat ein Umdenken erfordert. Wir mussten unsere normale Herangehensweise für solche Gutachten auf die Inselbahnverhältnisse anpassen.“ Besondere Herausforderung war für die Wissenschaftler, die hohen Dieselverbrauchswerte der vorhandenen Loks mit der Erwartung in Einklang zu bringen. Es zeigte sich, dass der gemessene hohe Dieselverbrauch im Bestand vor allem auf den verbesserungswürdigen Wirkungsgrad der leistungsstarken Dieselmotoren zurückzuführen ist, die aufgrund der langsamen Fahrt und der Strecke immer nur im unteren Teillastbereich und meistens kalt betrieben werden. Letztlich stellte das TUD-Team fest, dass die Bestandsantriebsanlage für den täglichen Betrieb überdimensioniert ist und nur ein elektrischer Antrieb diesen Aspekt wirklich verbessern kann.

Originalautor

Anika Bielfeld

Weitere Forschungsprojekte der Professur für Elektrische Bahnen

Die Professur für Elektrische Bahnen hat neben dem Inselbahn Projekt Langeoog weitere spannende Forschungsthemen und -felder. Dazu gehören u. a. Projekte zu konventionellen und alternativen Antrieben sowie Forschung zur Fahrzeugtechnik und der Steuerung von Hybridfahrzeugen

Über die Inselbahn Langeoog

Die Inselbahn Langeoog wurde erstmal 1937 in Betrieb genommen und war zuvor eine Pferdebahn. Sie befährt eine 2,6 km lange Strecke und verbindet den Fährhafen der Insel mit dem Ort Langeoog. Seit 2008 wird die Inselbahn ausschließlich für den Personenverkehr genutzt.

In den 1990er-Jahren wurden eine Reihe von Modernisierungsmaßnahmen durchgeführt. Hierzu zählen der Bau eines neuen Bahnhofsgebäudes, die Beschaffung vollständig neuer Zuggarnituren, die Instandsetzung der Gleisanlagen und des Bahnsteigs sowie eine veränderte Straßenführung in der näheren Umgebung.

Insel Langeoog

Insel Langeoog

Ansprechpartner

Dipl.-Ing. Tobias Bregulla
Wissenschaftlicher Mitarbeiter
Professur für Elektrische Bahnen
Fakultät Verkehrswissenschaften "Friedrich List", TU Dresden
E-Mail: tobias.bregulla@tu-dresden.de

Die Inselbahn Langeoog befährt eine

2,6 km

lange Strecke und verbindet den Fährhafen der Insel mit dem Ort Langeoog.