Oxford-Studie unter Beteiligung der Dresdner Verkehrsforscherin Prof. Regine Gerike

Eine internationale Studie unter der Leitung von Forschenden der University of Oxford's Transport Studies Unit hat herausgefunden, dass der Umstieg auf das Fahrrad, E-Bike oder aufs Zu-Fuß-Gehen für die tägliche Fortbewegung einen Beitrag zur Bewältigung der Klimakrise leisten kann. Prof.in Regine Gerike, Leiterin der Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik an der Fakultät Verkehrswissenschaften „Friedrich List“ der TU Dresden, war als Autorin an dem Projekt beteiligt.

Die Ergebnisse, die in der Fachzeitschrift Global Environmental Change veröffentlicht wurden, zeigen, dass eine Steigerung der aktiven Mobilität (das heißt: zu Fuß gehen sowie Rad- und E-Bike fahren) den CO2-Fußabdruck signifikant senkt – selbst in europäischen Städten mit bereits hohem Fuß- und Radverkehrsanteil.

„Die Studie ist die erste ihrer Art, die die Auswirkungen von Veränderungen der aktiven Mobilität in Städten auf die CO2-Emissionen im Lebenszyklus untersucht“, so Regine Gerike. „Aktive Mobilität (zu Fuß gehen oder mit dem Fahrrad fahren) gilt als die nachhaltigste und kohlenstoffärmste Form, um von A nach B zu kommen. Jedoch sind die Nettoauswirkungen von Veränderungen bei der aktiven Mobilität auf Veränderungen bei den mobilitätsbedingten CO2-Emissionen komplex und bisher wenig erforscht. Die Methodik, die Metriken und die Ergebnisse der Studie sind auf viele Städte in ganz Europa anwendbar und liefern dringend benötigte empirische Erkenntnisse für die Erforschung der Verkehrs- und Klimazukunft auf globaler, nationaler und lokaler Ebene“, so die Verkehrswissenschaftlerin zur Bedeutung der Studie.

Erhebliche Verringerung des CO2-Fußabdrucks

„Wir haben fast 2.000 Stadtbewohner über einen längeren Zeitraum hinweg begleitet. Dabei zeigte sich, dass eine Umstellung von nur einer Fahrt pro Tag vom Auto auf das Fahrrad den jährlichen CO2-Fußabdruck pro Person um etwa 0,5 Tonnen reduzieren würde – was einen beträchtlichen Anteil der durchschnittlichen Pro-Kopf-CO2-Emissionen ausmacht", erklärt Dr. Christian Brand, leitender Forscher der Transport Studies Unit in Oxford. „Wenn nur 10 Prozent der Bevölkerung ihr Reiseverhalten auf diese Weise ändern würden, lägen die Emissionseinsparungen bei etwa 4 Prozent der Lebenszyklus-CO2-Emissionen des gesamten Autoverkehrs.“

Die Bedeutung zeigt sich in folgendem Kontext: Für die sieben in der Studie untersuchten europäischen Städte (Antwerpen/Belgien, Barcelona/Spanien, London/Vereinigtes Königreich, Orebro/Schweden, Rom/Italien, Wien/Österreich, Zürich/Schweiz) lagen die durchschnittlichen Pro-Kopf-CO2-Emissionen aus dem Verkehr (ohne internationalen Flug- und Schiffsverkehr) zwischen 1,8 Tonnen CO2 pro Person und Jahr in London und 2,7 Tonnen CO2 pro Person und Jahr in Wien.

Die Studie sammelte Primärdaten zum täglichen Mobilitätsverhalten, zu Wegezwecken sowie zu persönlichen und räumlichen Einflussfaktoren in den sieben europäischen Städten und leitete mobilitätsbezogene Lebenszyklus-CO2-Emissionen über Zeit und Raum ab. Um zu bewerten, welchen Einfluss Veränderungen in der aktiven Mobilität, beim „Hauptverkehrsmittel“ der täglichen Wege- und bei der Radfahrhäufigkeit auf die mobilitätsbezogenen Lebenszyklus-CO2-Emissionen haben, wurde eine statistische Modellierung von Längsschnitt-Paneldaten von 1.849 Studienteilnehmenden durchgeführt.

Handlungsappell an Städte weltweit: Radikal Umdenken bei Stadtplanungskonzepten

In Ableitung ihrer Studienergebnisse formuliert das internationale Autorenteam einen Handlungsappell an Städte weltweit: diese müssten bei ihren stadtplanerischen Konzepten radikal umdenken, z. B. durch die Stärkung dichter Strukturen und gemischter Landnutzungen. Seitens des Verkehrsangebots wird die Bedeutung von „Carrot-and-Stick“-Ansätzen als Kombination von Maßnahmen zur Attraktivierung aktiver Mobilität (Carrot) und zur De-Attraktivierung von Wegen mit dem Pkw oder motorisierten Zweirädern (Stick) unterstrichen. Durchgängige und qualitativ hochwertige Infrastrukturen für Zu Fuß Gehende und Radfahrende sind ein weiterer zentraler Erfolgsfaktor für die gezielte Förderung aktiver Mobilität.

Studie ist in EU-Projekt PASTA eingebunden – Verbindung von Verkehr und Gesundheit

Die Studie ist innerhalb des EU-finanzierten Projektes PASTA entstanden, der Begriff steht für:  Physical Activity Through Sustainable Transport Approaches. Das Projekt zielt darauf ab, Verkehr und Gesundheit miteinander zu verbinden, indem aktive Mobilität in Städten (d. h. zu Fuß gehen, Rad fahren oder E-Biken, auch in Kombination mit der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel) als innovativer Weg zur Integration von körperlicher Aktivität in unseren Alltag gefördert wird (Study Protocol).

Prof.in Regine Gerike ist von Beginn an am PASTA-Projekt beteiligt – von der Erarbeitung der Antragskizze über Koordinierungsaufgaben bis hin zu inhaltlichen Ausarbeitungen wie der Erarbeitung eines Forschungs- und Erhebungskonzeptes und der Umsetzung der großen empirischen Erhebung an den verschiedenen Standorten.

Über die Studie

Titel: “The climate change mitigation impacts of active travel: Evidence from a longitudinal panel study in seven European cities.” (2021), veröffentlicht in: Global Environmental Change 67, 102224

Autorenteam: Brand, C., Götschi, T., Dons, E., Gerike, R., Anaya-Boig, E., Avila-Palencia, I., de Nazelle, A., Gascon, M., Gaupp-Berghausen, M., Iacorossi, F., Kahlmeier, S., Int Panis, L., Racioppi, F., Rojas-Rueda, D., Standaert, A., Stigell, E., Sulikova, S., Wegener, S., Nieuwenhuijsen, M.J

Wichtige Ergebnisse des internationalen PASTA-Projektes seit seinem Start in 2013

- Empirisch breit abgestützte Argumente für eine Stärkung der aktiven Mobilität (Zu-Fuß-Gehen und Rad fahren), indem z. B. positive Wirkungen auf die Gesundheit, das individuelle Wohlbefinden oder auch auf mobilitätsbezogene Treibhausgasemissionen gezeigt werden

- Hinweise zur Wirksamkeit von Maßnahmen zur Förderung aktiver Mobilität

- Weiterentwicklung des HEAT-Tools der Weltgesundheitsorganisation (WHO), das eine monetäre Bewertung des Nutzens von Maßnahmen zur Förderung aktiver Mobilität erlaubt

Die Studie ist die erste ihrer Art, die die Auswirkungen von Veränderungen der aktiven Mobilität in Städten auf die CO2-Emissionen im Lebenszyklus untersucht.

Prof.in Regine Gerike

Fakt

Eine Umstellung von nur einer Fahrt pro Tag vom Auto auf das Fahrrad reduziert den jährlichen CO2-Fußabdruck pro Person um

0,5 Tonnen