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Die Welt zu Gast an der Fakultät Verkehrswissenschaften „Friedrich List“
"Automatisierte Fahrzeuge sind im Kommen und werden die Mobilität verändern, bestenfalls zum Guten, wenn sie richtig gesteuert werden“, sagt Prof. Nicole Adler von der Hebräischen Universität Jerusalem. Sie ist derzeit als Dresden Senior Fellow an der Professur für Volkswirtschaftslehre, insb. Verkehrspolitik und Raumwirtschaft zu Gast. Die renommierte Professorin für Operation Research (OR) verbindet in ihren Untersuchungen OR und Ökonomie, um Verkehrsmärkte besser zu verstehen. In diesem Interview spricht sie über ihre Forschungs- und Lehrtätigkeit an der Fakultät Verkehrswissenschaften.
Prof. Nicole Adler, ehemalige Dekanin der Wirtschaftsfakultät an der Hebräischen Universität Jerusalem, hat derzeit eine Gastprofessur als TU Dresden Senior Fellow unter der Leitung von Prof. Georg Hirte inne. Ihre Hauptforschungsgebiete sind die angewandte Spieltheorie und Effizienzschätzung in Bezug auf verschiedene Verkehrsmärkte.
LD: Prof. Adler, herzlich willkommen an der Fakultät Verkehrswissenschaften „Friedrich List“. Sie sind hier als Dresden Senior Fellow und halten während Ihres Aufenthaltes einen Forschungsvortrag zum Thema „Modellierung automatisierter Fahrzeugmärkte“. Worum wird es in Ihrem Vortrag gehen?
Nicole Adler:
Forschende der Ingenieurwissenschaften und der Informatik arbeiten gemeinsam mit Partnern aus der Industrie seit Anfang der 90er Jahre an automatisierten Fahrzeugen (AV) und prognostizierten, dass diese Anfang der 2000er Jahre auf den Straßen zu finden sein würden. Heute sind sie auf den Straßen unterwegs, aber nur in sehr begrenztem Umfang, vor allem weil es sehr kompliziert ist, diese Fahrzeuge neben menschlichen Fahrern auf die Straße zu bringen. Menschliches Handeln ist schwer vorhersehbar, daher kann es noch etwas dauern, aber automatisierte Fahrzeuge sind im Kommen und werden die Mobilität verändern, bestenfalls zum Guten, wenn sie richtig gesteuert werden. Automatisierte Fahrzeuge werden die Mobilität und die Zugänglichkeit erhöhen und die Zahl der Unfälle verringern - das klingt wunderbar. Aber wenn wir alle in unser eigenes kleines automatisiertes Fahrzeug steigen, wird keiner von uns irgendwohin fahren, weil Staus, Verspätungen und letztlich Verkehrsstillstand die Mobilität einschränken werden. Wir müssen also als Wirtschaftswissenschaftler:innen herausfinden, wie wir diesen Markt öffnen und so regulieren können, dass möglichst alle Beteiligten davon profitieren. Dazu muss man wissen, ob man einen einzelnen oder mehrere zertifizierte Betreiber sucht, die den Markt mit ihren eigenen AV-Flotten bedienen, oder ob man erwartet, dass die Menschen AVs anstelle ihrer derzeitigen Fahrzeuge kaufen, was davon abhängt, wie teuer diese Fahrzeuge sein werden - und sie werden teurer sein als die derzeitigen Fahrzeuge, weil sie viel Technik an Bord haben. Und so könnten wir uns vielleicht sogar zu einem besseren Nash-Gleichgewicht bewegen, als wir es heute haben. In meinem Vortrag werde ich erörtern, ob automatisierte Fahrzeuge das Leben von Menschen in den Randgebieten verbessern können. Die Betreiber von AV-Flotten könnten einen besseren Zugang zur ersten und letzten Meile bieten - zu Bahnhöfen oder Busbahnhöfen, um zur Arbeit zu gelangen - und so dazu beitragen, dass ineffiziente und teure stationäre Busverbindungen in ländlichen Gebieten wegfallen.
Ich werde auch über Märkte für den Mittelstreckenverkehr sprechen, mit Hilfe einer Fallstudie aus Spanien, bei der wir glauben, dass automatisierte Fahrzeuge mit Hochgeschwindigkeitszügen und Luftverkehrskorridoren wie Madrid-Barcelona konkurrieren könnten. Würden AVs die Verkehrsüberlastung verstärken, indem sie die Nachfrage von den Linienverkehrsträgern abziehen? Wir haben große Datenquellen von Mobilfunkanbietern genutzt und wissen heute, dass selbst in diesen Märkten 50 % der Menschen mit dem eigenen Auto unterwegs sind. Dann stellt sich die Frage, ob AVs die Nachfrage erhöhen oder verringern werden, wie sie sich auf die Preise und Frequenzen der regulären Verkehrsträger auswirken werden und wie man den Markt am besten verwaltet.
LD: Das klingt sehr interessant! Es gibt bereits vielfältige Zusammenarbeit mit unserer Fakultät. Könnten Sie uns ein paar Einblicke in weitere Forschungsthemen und Ihre Pläne für Ihren Aufenthalt geben?
Nicole Adler:
Im Moment gibt es viele neue Technologien, die unsere Welt verändern. So gibt es neben den automatisierten Fahrzeugen auch die urbane Luftmobilität zur Beförderung von Passagieren und Fracht. Das ist eine faszinierende Technologie, von der wir wissen, dass es sie gibt, die aber zivil noch kaum genutzt wird. Amazon hat damit begonnen, in mehreren US-Bundesstaaten, im Vereinigten Königreich und in Italien leichte Pakete auszuliefern. Wenn sie Großstädte beliefern würden, bräuchte es einen regulierten Markt, der organisiert werden müsste.
Ich werde auch ind ie Lehre eingebunden sein und über den Wettbewerb zwischen Hochgeschwindigkeitszügen und der Luftfahrt sprechen. Vor über einem Jahrzehnt untersuchte ein Projekt der Europäischen Union die Transeuropäischen Netze (TEN) und ob sie unter Kosten-Nutzen-Gesichtspunkten sinnvoll sind. Auch heute ist dieses Projekt noch von großer Bedeutung, denn obwohl einige dieser TEN-Projekte abgeschlossen sind, gibt es noch viel zu tun. Und die Idee des Wettbewerbs auf den Eisenbahnstrecken ist wirklich noch neu und existiert in Deutschland noch nicht. Und wir sprechen auch über die Umwelt: Was wäre besser für die Umwelt, sollten wir Reisende ermutigen, die Bahn dem Flugzeug vorzuziehen? Würde dies dazu beitragen, die globalen Treibhausgasemissionen zu reduzieren? Und das ist das Schöne an der Arbeit in der Wissenschaft: Wenn man es richtig macht, tut man etwas, das eine Zeit lang nützlich ist.
LD: Was sind Ihre Eindrücke von der Arbeit hier an der Fakultät und was sind Ihre Pläne für Ihre Zeit in Dresden?
Nicole Adler:
Ich war erstaunt, wie viel Forschung hier betrieben wird. Dass es 20 ordentliche Professoren für Verkehrswesen in einer Einrichtung gibt, ist einmalig. Ich habe einige faszinierende Leute kennengelernt und hoffe, dass ich noch mehr treffen werde. Ich habe mindestens zwei Forschungsprojekte begonnen. Sie haben auch eine erstaunliche Anzahl von Postdocs und Doktoranden, und es macht wirklich Spaß. Ich habe an Seminaren teilgenommen und Studierende aus der ganzen Welt im Studiengang Transportation Economics unterrichtet und das hat mir sehr viel Spaß gemacht.
Ich möchte mich bei Prof. Hirte für die Einladung zu meinem Besuch bedanken. Er ist ein sehr kluger Ökonometriker und betreibt großartige Forschung, so dass es viel Spaß macht, mit ihm zu arbeiten. Ich lerne eine Menge.
Ich kam [nach Dresden], als sich die Bäume färbten. Professor Hirte und ich unternehmen lange Spaziergänge, das ist fantastisch. Ich war im Schloss Pillnitz und im Nationalpark Sächsische Schweiz, die wunderschön sind. Das Essen hier ist köstlich. Und man hat mir Glühwein versprochen :)
LD: Das klingt großartig! Vielen Dank und alles Gute für Sie.
Der Forschungsvortrag zum Thema „Modelling Automated Vehicle Markets“ findet am 19. November im POT 051 statt. Alle Fakultätsmitglieder sind herzlich eingeladen.
Originalautor
Das ist das Schöne an der Arbeit in der Wissenschaft: Wenn man es richtig macht, tut man etwas, das eine ganze Zeit lang nützlich ist.