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Wissenschaftlicher Blick auf Verkehrspolitik
Es gibt kaum wissenschaftliche Veröffentlichungen in Deutschland zu dem Thema. Zwei Dresdner Verkehrswirtschaftler wollen das ändern.
Das Thema ist ein „Dauerbrenner“ in der Verkehrspolitik und wird oft emotional diskutiert. Die Rede ist vom Tempolimit auf deutschen Autobahnen. Auch im Bundestagswahljahr 2021 wird es ein relevantes und viel diskutiertes Thema bleiben, findet es sich doch in vielen Wahlprogrammen wieder. Und erst Ende April veröffentlichte das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit die Ergebnisse einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage zum Umweltbewusstsein 2020 in Deutschland. Ein Ergebnis der Studie ist, dass 64 Prozent der Befragten die Einführung eines generellen Tempolimits auf Autobahnen befürworten.
"Interessanterweise gibt es trotz dieser Daueraktualität zu diesem Thema gerade für Deutschland kaum wissenschaftliche Veröffentlichungen", sagt Dr. Andy Obermeyer, Mitarbeiter an der Professur für Volkswirtschaftslehre, insb. Verkehrspolitik und Raumwirtschaft an der Fakultät Verkehrswissenchaften "Friedrich List". Er und sein Kollege Dr. Stefan Tscharaktschiew haben sich in den vergangenen Monaten eingehender aus wissenschaftlicher Sicht mit dem Thema "Tempolimit auf Autobahnen" befasst.
Ausgangspunkt war eine wissenschaftliche Arbeit von Stefan Tscharaktschiew, die im August 2020 im Elsevier Verlag veröffentlicht wurde:
"Why are highway speed limits really justified? An equilibrium speed choice analysis"
Wichtige Punkte darin sind u. a.:
- Geschwindigkeitsexternalitäten werden üblicherweise angeführt, um Geschwindigkeitsbegrenzungen auf Autobahnen zu rechtfertigen, aber sie könnten bereits internalisiert werden, wenn es eine bereits existierende Politik gäbe, die mit der Geschwindigkeit zusammenhängt.
- In Deutschland, wo die Kraftstoffsteuer relativ hoch ist, sind die externen Effekte der Geschwindigkeit weitgehend internalisiert und das Argument der externen Effekte zugunsten einer Geschwindigkeitsregulierung trifft auf die Mehrheit der Fahrer nicht zu.
- Nichtsdestotrotz würde ein moderates Tempolimit von 130 km/h auf deutschen Autobahnen die wirtschaftliche Effizienz wahrscheinlich nicht beeinträchtigen, zumindest solange der Anteil der Dieselfahrzeuge signifikant ist.Mangelnde Rationalität rechtfertigt immer eine Geschwindigkeitsregulierung, es sei denn, es stehen geeignete "Nudges" (also eine "sanfte" Beeinflussung zur Verhaltensänderung) zur Verfügung.
Basierend auf ihren Forschungen haben Stefan Tscharaktschiew und Andy Obermeyer auch einen Kommentar zum Tempolimit für das Magazin des Wirtschaftsdienstes verfasst, Ausgabe 100 (5), S. 313 (Open-Access-Artikel beim Springer Verlag). Sie betonen darin die Bedeutung einer ganzheitlichen Betrachtung, bei der die verschiedenen Auswirkungen eines Tempolimits gegeneinander abgewogen werden müssen.
Dr. rer. pol. Stefan Tscharaktschiew
Wissenschaftlicher Mitarbeiter
Professur für Volkswirtschaftslehre, insb. Verkehrspolitik und Raumwirtschaft
Tel.:+49 351 463-36817