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Internationaler Austausch bei Forschung und Wissenschaft
Jack Awuku Asare bezeichnet sich selbst als „Sustainable Transport Enthusiast“ – und als Verfechter für nachhaltigen Transport und Verkehr hat er eine Mission.
„Ich möchte meinen Landsleuten in Ghana und in Entwicklungsländern die Notwendigkeit nachhaltiger Transportmöglichkeiten und Alternativen zum privaten Auto aufzeigen, sie zum Umdenken und vor allem zum Umsteigen bewegen." Dafür braucht es neben einem langen Atem, viel Überzeugungsarbeit unterlegt mit guten Argumenten und Ideen. Mit diesen rüstet sich der 35-jährige Experte für Infrastrukturlösungen gerade aus – und zwar als Humboldt-Stipendiat an der Professur für Verkehrspsychologie der Fakultät Verkehrswissenschaften „Friedrich List“ der TU Dresden (TUD). Er hat eines der begehrten Internationalen Klimaschutzstipendien 2021/2022 der Alexander von Humboldt-Stiftung erhalten. Seit Anfang März ist er für ein Forschungsjahr in Dresden und wird von Prof. Tibor Petzoldt und seinem Team betreut. Sein Forschungsschwerpunkt ist dabei die „Entwicklung und Förderung von weichen verkehrspolitischen Maßnahmen und Strategien zum Klimaschutz in Ghana“.
Gezielte Bewerbung für die Verkehrspsychologie an der TU Dresden
Klimaschutz beginnt im Kopf. „Es muss sich zuerst etwas in den Köpfen und im Verhalten ändern, bevor sich etwas auf den Straßen ändert, sagt Awuku. Deshalb habe er sich für sein Forschungsjahr gezielt die Professur für Verkehrspsychologie an der TU Dresden ausgesucht. Auf der Grundlage von Interviews und Fragebögen konzentriert sich seine Forschung auf die Eigenschaften und die Motivation, die die Reiseentscheidungen der Menschen beeinflussen. Diese Daten werden durch Interviews mit Interessenvertretern und praktische Erfahrungen in Deutschland ergänzt, „um sanfte Verkehrspolitik und ihre Auswirkungen zu beobachten“, sagt er. Sein Hauptziel: „Ich möchte einen besseren Einblick in die Verhaltenswissenschaften und damit ein besseres Verständnis der ursächlichen Mechanismen erlangen, die freiwillige Änderungen im Reiseverhalten ermöglichen.“
Statussymbol Auto ist größte Hürde
Denn der Klimawandel in Form von Überschwemmungen und Dürren ist auch in Ghana ein drängendes Thema. Ein Umdenken hin zu nachhaltigen Transportmöglichkeiten wäre ein wichtiger Schritt. Die Betonung liegt auf „wäre“ wie: Wäre da nicht die tief in der ghanaischen Gesellschaft verwurzelte Bedeutung des Autos: „Der Besitz eines privaten Autos ist Notwendigkeit und Statussymbol zugleich“, beschreibt Jack Asare Awuku die Situation in dem aufstrebenden westafrikanischen Land. Leider sind ältere Automodelle mit hohem CO2-Ausstoß auf den Straßen des Landes vorherrschend. Zu Fuß gehen oder Rad fahren wird oft auf Freizeit- und Sportaktivitäten reduziert und selten als Hauptverkehrsmittel genutzt. Einkaufs- und Schulfahrten innerhalb der Gemeinden, Besuche bei Familie und Freunden - alles wird vom Individualverkehr dominiert - selbst kurze Strecken von weniger als 2 Kilometern. Jack Asare Awuku ist nicht nur wegen des Klimaaspekts besorgt, sondern auch wegen der sozialen Entfremdung der Menschen untereinander: „Gemeinsam unterwegs sein, Zeit miteinander verbringen, Kinder, die sich zum Beispiel auf ihrem gemeinsamen täglichen Schulweg unterhalten, haben auch eine große soziale Komponente. Das ist es, was für unsere Kinder verloren geht.“
Den Stipendiaten interessiert nun, „wie sich etablierte Denk- und Verhaltensweisen aufbrechen und ein Bewusstsein und Akzeptanz für alternative, nachhaltige Verkehrsmittel erreicht werden kann“. Als Verkehrsexperte, der in Ghanas Hauptstadt Accra lebt und arbeitet, hat er beobachtet, wie "öffentlicher Widerstand und mangelnder politischer Wille der Umsetzung einer strikten Verkehrspolitik im Wege stehen". Stattdessen werden riesige Investitionen in den Ausbau großer und breiter Straßen und den Bau von Kreuzungen für Privat-Pkw als Lösungen für grundlegende Probleme der Verkehrsnachfragesteuerung getätigt. „Das ist definitiv unhaltbar“, erklärte er.
Mit seiner Forschungs- und Projektarbeit möchte Jack Asare Awuku diesem Trend entgegenwirken und nach dem Forschungsjahr zurück in Ghana als Berater die Zukunft des Landes nachhaltig und klimafreundlich mitgestalten. Hierbei unterstützen ihn Prof. Tibor Petzoldt und sein Team an der Professur für Verkehrspsychologie gern: „Wir freuen uns sehr, Jack bei uns zu haben. Er möchte viel lernen, und wir werden ihn dabei nach Kräften unterstützen. Gleichzeitig wird sein Wissen über Verkehr und Transport in Entwicklungsländern an der Fakultät sehr geschätzt, da es uns hilft, die ,Probleme‘, die wir in der entwickelten Welt haben, zu relativieren“, so Tibor Petzoldt.
Erster Aufenthalt in Dresden war entscheidend für Lebensweg
Es ist nicht der erste Aufenthalt von Jack Asare Awuku in Dresden. Bereits 2014 verbrachte er einen Monate an der TU Dresden im Rahmen eines Kurses zu nachhaltigem Transport am Centre for International Postgraduate Studies of Environmental Management (CIPCEM). „Ich träume bis heute von Dresden. Der erste Aufenthalt hier und Begegnungen und Gespräche mit Verkehrswissenschaftlern und -wissenschaftlerinnen wie Prof. Udo Becker von den Verkehrsökologen oder Prof.in Andrea Francke von den Verkehrspsychologen hatten einen großen Einfluss auf meinen anschließenden Berufsweg. Hier wurde quasi die Basis für mein berufliches und persönliches Engagement für nachhaltige Verkehrssysteme gelegt“, erzählt Jack Asare Awuku und seine Augen leuchten dabei.
Nach seinem Bachelorabschluss in „Civil Engineering“ 2008 in Ghana widmete er sich beruflich als Ingenieur dem Thema nachhaltige und innovative Infrastruktur- und Verkehrslösungen, aktuell als Senior Transportation Engineer bei der DaovTech Design Group in Accra, die ihn für sein Forschungsjahr freigestellt hat. Zwischendrin absolvierte er von 2016 bis 2018 ein Masterstudium mit dem Schwerpunkt auf Transport Systeme an die TU München.
In seiner Freizeit engagiert sich Jack Aasare Awuku in einer Advocacy Group (Interessenvertretung) mit Namen „Share the Road“, die mit Schulen arbeitet und diese bei der Vermittlung von Themen wie Nachhaltigkeit und Transport unterstützt. Dazu sagt er: „Um mit Blick auf Transport, Verkehr und Klimaschutz grundlegend etwas in Ghana zu verändern, muss wir auch bei den Kindern und Jugendlichen ansetzen. Sie bringen die neuen Gedanken mit in die Familien und fordern dann z. B., nicht mehr mit dem Auto zur Schule gefahren zu werden, sondern nehmen das Rad oder gehen mehr zu Fuß. Veränderung beginnt bei den Wurzeln.“
Humboldt-Forschungsstipendium für Postdocs und erfahrene Wissenschaftler:innen
Das Humboldt-Forschungsstipendium für Postdoktorand:innen und erfahrene Wissenschaftler:innen ist eines der renommiertesten Stipendien für Forschende aller Nationen und Fachgebiete. Es fördert herausragende internationale Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, um in Deutschland zu forschen. Neben dem Stipendium profitieren die Wissenschaftler:innen insbesondere von der Vernetzung mit dem weltweiten Netzwerk der Humboldt-Stipendiat:innen.
Für Forschende aus Schwellen- und Entwicklungsländern gibt es zudem die Möglichkeit einer Förderung über das Georg Forster‐Forschungsstipendium. Bedingung dafür ist, dass ihre Forschung hohe Relevanz für die weitere Entwicklung Ihres Landes hat.
An der TU Dresden sind derzeit etliche Alexander-von-Humboldt-Forschungsstipendiaten zu Gast. Trotz Pandemie konnten sie – unter Einhaltung der Hygienebestimmungen und Quarantäneregeln – ihren Aufenthalt in Deutschland antreten.
Es muss sich zuerst etwas in den Köpfen und im Verhalten ändern, bevor sich etwas auf den Straßen ändert.