Ralph Buehler ist Professor für Stadtentwicklung und -planung an der School of Public and International Affairs am Virginia Tech Research Center in Arlington County, Virginia, USA. In seiner Forschung betrachtet er Mobilität im internationalen Vergleich. Zu seinen Forschungsinteressen gehören insbesondere die Aktive Mobilität, also der Rad- und Fußverkehr, sowie der Öffentliche Verkehr. Wir haben mit ihm über seinen Aufenthalt als Gastwissenschaftler an der TU Dresden gesprochen.

LD: Prof. Buehler, zuletzt ist ihr Buch „Radfahren für nachhaltige Städte“ erschienen. In der Beschreibung heißt es: „Cycling for Sustainable Cities zeigt, wie man das Radfahren in der Stadt für alle Alters- und Leistungsgruppen sicher, praktisch und bequem machen kann.“ Was sind Ihre Vorschläge, wie das gelingen kann?

RB: Vielen Dank für die Einladung. Zunächst sollte die Radverkehrsplanung alle Bevölkerungsgruppen einschließen. Wir sollten versuchen, die Radinfrastruktur so zu planen, dass sie für Kinder und für Senioren gleichermaßen zugänglich ist und auch alle dazwischenliegenden Gruppen einschließt, sodass sich alle Radfahrenden sicher fühlen. Das bedeutet, auf Straßen mit schnellerem Fahrzeugverkehr und höherem Verkehrsvolumen brauchen wir baulich getrennte Einrichtungen für die Radfahrerinnen und Radfahrer, idealerweise mit Hilfe einer Trennung durch separate Bordsteine. An Knotenpunkten müssen wir zudem stärker im Sinne der Radfahrenden denken, um Konflikte, z.B. bei Abbiegevorgängen, zu verhindern. Wir brauchen auch verkehrsberuhigte Bereiche in Wohngebieten, in denen der Fahrzeugverkehr langsamer fährt oder in denen es weniger Verkehr gibt, sodass die Radfahrenden den Straßenraum mit den Kraftfahrzeugen teilen können. Und letztlich braucht es eine inklusivere Kultur des Radfahrens. Radfahren ist häufig besetzt mit Attributen wie männlich, sportiv, technikaffin und risikobereit. Das kann Menschen abschrecken, weil sie nicht Teil dieser Gruppe sind. Das heißt, das Radfahren selbst muss sich öffnen.

LD: Warum denken Sie, ist es wichtig, den Radverkehr in der Stadt zu fördern?

Das Fahrrad ist ziemlich ideal für Städte, wenn man sich überlegt, wie wenig Platz es braucht, um es zu bewegen und zu parken und wie günstig es ist, Radinfrastruktur zu bauen – im Vergleich zu Nahverkehrssystemen und Straßenräumen. Das Fahrrad ist auch ideal in der Erschwinglichkeit für Personen oder Haushalte, es produziert wenig Emissionen und das Radfahren selbst ist letztlich gesundheitsfördernd. Das Fahrrad ist das ideale Verkehrsmittel für die Stadt als Teil des Verkehrsmix zusammen mit dem Nahverkehr und dem Gehen.

In Städten sehen wir aktuell in Teilen sehr spannungsgeladene Diskussionen Für und Wider das Radfahren. In den letzten Jahrzenten wurden Städte sehr autofreundlich gebaut und nun geht es darum, einen Teil des Straßenraums für andere Verkehrsmittel zurückzuholen. Dieser Kampf um den Straßenraum ist in Teilen sehr konfliktreich und emotional für die Menschen.

LD: Welche weiteren Forschungsinteressen verfolgen Sie?

RB: Das Radfahren ist ein großer Teil meiner Forschung und ist inzwischen ein großes Forschungsfeld geworden. Ein weiterer Forschungsbereich ist der Fußverkehr, insbesondere im Hinblick auf die Verkehrssicherheit. Dabei stellen die Messbarkeit und fehlende Datengrundlagen zentrale Herausforderungen dar.

In einem aktuellen Projekt in Washington D.C. arbeiten wir mit Zählern, die Radfahrende und zu Fuß Gehende zählen. Mit Hilfe von  Kameras validieren wir die Zähler. Wir vergleichen dann die entstandenen Daten mit GPS-Daten. Idealerweise lässt sich der so erhobene Datensatz auf andere Teile des Rad- und Fußgängernetzwerkes hochrechnen, um Aussagen über das Verkehrsverhalten treffen und den Rad- und Fussverkehr besser planen zu können.

In einem weiteren Projekt betrachten wir den Öffentlichen Nahverkehr nach der Corona-Pandemie im internationalen Vergleich. Hier gehen wir der Frage nach, inwiefern sich die Nachfrage an Öffentlichen Verkehrsmitteln im Vergleich zum Zeitraum vor der Pandemie wieder erholt hat und ob es Variationen in der Nachfrage gibt. Hier sehen wir deutliche Unterschiede zwischen den jeweiligen Ländern insgesamt, aber beispielsweise auch eine Verlagerung der Nahverkehrsnachfrage innerhalb der Woche und Tage. Anhand der erhobenen Daten können wiederum Empfehlungen zu Fahrplan und Taktung der Öffentlichen Verkehrsmittel abgeleitet werden.

LD: Sie sind aktuell als Dresden Senior Fellow an der TU Dresden zu Gast. Was haben Sie sich für Ihren Aufenthalt an unserer Fakultät vorgenommen?

RB: Es gibt viele Anknüpfungspunkte mit der Professur für Mobilitätssystemplanung von Regine Gerike, z.B. mit den Forschungsgruppen zum Thema Fußverkehr oder zur Verkehrssicherheit. Spannend finde ich die Studie "Mobilität in Städten – SrV", die zahlreiche Synergien zu meiner Forschung bietet und zeigt, dass wir am Puls der Zeit forschen.

Die Hauptidee meines Aufenthalts ist, die bereits bestehende gemeinsame Forschungsaktivität mit der Professur für Mobilitätssystemplanung weiter zu intensivieren. Wir haben uns beispielsweise schon mit dem Mobilitätsverhalten von Senioren beschäftigt. Nun wollen wir die Mobilität von Kindern im internationalen Vergleich untersuchen. Dazu wollen wir zunächst Daten zur Anzahl und Streckenlänge der Wege, die Kinder unbegleitet zurücklegen, erheben, um Aussagen über die Entwicklung des Mobilitätsverhaltens tätigen zu können.

 

Wir wünschen Prof. Buehler eine erfahrungsreiche und gewinnbringende Zeit an der Fakultät Verkehrswissenschaften und viel Erfolg für seine Forschungsvorhaben.

Originalautor

Lisa Dreßler/ Red. bearb.

Aktuelle Publikationen

"Walking in the USA based on NHTS 2022"

"Mobility of older adults in the USA and Germany"

"Travel Behavior of Older Adults in the USA"

"The challenge of measuring walk trips in travel surveys"

"New Literature Review on COVID Effects on Cycling"

"Overview of Walking Rates in Europe and North America"

"Cycling through the COVID-19 Pandemic"

Kontakt

Im internationalen Vergleich sieht man, wie spezialisiert ein System ist […]. Das Ausland [in die Betrachtungen] einzubeziehen, erhöht die Varianz und die Variabilität, weil man sehen kann, wo das eigene Land oder die eigene Stadt im Vergleich steht.

Prof. Ralph Buehler