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Forschungsprojekt
In einer aktuellen Studie an der Professur für Ökonometrie und Statistik im Verkehrswesen haben Forschende mit einer Flotte von sechs synchronisierten Drohnen detaillierte Verkehrsdaten gesammelt und extrahiert. Ihre Arbeit mit dem Titel "MiTra: A Drone-Based Trajectory Data for a Freeway with Ramps Capturing All Traffic States" wurde kürzlich im renommierten Nature Scientific Data Journal veröffentlicht.
Prof. Ostap Okhrin, Dr. Martin Treiber und Ankit Anil Chaudhari von der Professur für Ökonometrie und Statistik, insb. im Verkehrswesen, haben in einem bisher einmaligen Forschungsversuch Verkehrsdaten anhand einer synchronisierten Drohnenstaffel erhoben. Das Projekt wurde im renommierten Nature Scientific Data Journal veröffentlicht. Der folgende Artikel gibt Einblicke in das Forschungsvorgehen und beleuchtet, wie der Datensatz erstellt wurde und welche Bedeutung er für die Verkehrsforschung, Mobilitätsplanung und KI-Entwicklung hat.
Warum ist der Verkehr häufig so frustrierend und was können wir dagegen tun?
Wir alle kennen das: Man sitzt im Auto, alles läuft gut, und plötzlich kommt man nur noch im Schritttempo voran. Kein Unfall, keine Baustelle, kein sichtbarer Grund. Einfach nur ... Verkehr. Diese sogenannten „Phantomstaus” sind oft das Ergebnis menschlicher Verhaltensweisen: ein verspäteter Spurwechsel, ein zögerliches Einfädeln, ein plötzliches Bremsmanöver. Diese Verhaltensweisen breiten sich rückwärts durch den Verkehr aus und verursachen sogenannte "Schockwellen", die schließlich zu einem regelrechten Stau führen.
Um Verkehrsprobleme zu beheben, müssen wir zunächst verstehen, wie Menschen unter realen Bedingungen wirklich fahren – beim Einfädeln, Spurwechseln, Abbremsen und Beschleunigen. Diese Antworten erfordern präzise Daten mit hoher Auflösung.
Hier setzt MiTra (Milan Trajectories) an. Der drohnenbasierte Verkehrsdatenbestand erfasst detaillierte Fahrzeugbewegungen in allen Arten von Verkehr – vom freien Fluss bis zur vollständigen Stauung – auf einer wichtigen städtischen Autobahn, der A50, in Mailand, Italien. Dabei liefert MiTra als Open-Source-Anwendung die Datenbasis für vielfältige Anwendungsszenarien wie Verkehrssimulationen, das Testen autonomer Fahrmodelle oder die Untersuchung des Zusammenhangs zwischen Spurwechsel und Verzögerungen. MiTra ist bei OPARA verfügbar.
Was macht MiTra einzigartig?
Im Gegensatz zu früheren Datensätzen, die sich nur auf den freien Verkehrsfluss konzentrierten, kurze Abschnitte ohne Auffahrten abdeckten oder nur begrenzte Kameraansichten verwendeten, bietet MiTra:
• Alle Verkehrsbedingungen vom freien Verkehrsfluss bis zur Stausituation am selben Ort erfasst
• Auffahrten und Abfahrten mit realistischem Fahrverhalten
• Rohvideos und zusammengefügte Trajektorien, die Fahrzeuge über die gesamte Strecke verfolgen
• Über 124.000 Fahrzeugtrajektorien, darunter 52 % mit Spurwechseln
• 5 Fahrzeugtypen: Pkw, Busse, Lkw, mittelgroße Fahrzeuge und Motorräder
• Die Trajektoriendaten umfassen Geschwindigkeit, Beschleunigung, Spur und IDs der umgebenden Fahrzeuge (z. B. Führungs-/Folgefahrzeug)
Hinter den Kulissen: Was nötig war, um diese Daten zu erfassen
Drohnen sind mobil und flexibel und eignen sich daher perfekt für die Aufzeichnung von komplexer Verkehrsinfrastruktur wie beispielsweise Brücken. Doch der Einsatz von Drohnen zur Untersuchung des Verkehrs erfordert umfangreiche Planung, Koordination und kreative Problemlösungen.
Für die Erfassung eines 900 Meter langen Abschnitts einer städtischen Autobahn kamen aufgrund neuer Vorschriften sechs Drohnen parallel zum Einsatz. Damit das Filmmaterial später nahtlos und präzise zusammengefügt werden konnte, mussten die Drohnen sehr gut zeitlich und räumlich koordiniert werden. Dabei musste auch die begrenzte Akkulaufzeit stets mitgedacht werden. Da die Drohnen nicht direkt über der Straße fliegen durften, war die Ausrichtung zwischen den Drohnenaufnahmen nicht immer perfekt und gelegentlich wurden kleinere Fahrzeuge hinter größeren wie Lkw verdeckt.
Behind the Scenes
Das Team der Professur für Ökonometrie und Statistik, insb. im Verkehrswesen, bei der Umsetzung der Drohnenaufnahmen.
Die Vogelperspektive ermöglicht trotz alldem einen einzigartigen Blick auf den Verkehrsfluss. Die im zeitlichen Verlauf auf natürliche Weise erfassten Schwankungen ermöglichen eine aussagekräftige Analyse der Verkehrsübergänge in einer einheitlichen Umgebung. Drei aktuelle Momentaufnahmen veranschaulichen die Vielfalt der aufgezeichneten Verkehrszustände aus dem Datensatz:
Die Videoaufzeichnungen werden in einem finalen Schritt nebeneinandergelegt ("gestitched"). Aus diesem zusammengefügten Material können schließlich Fahrzeugtrajektoriendaten extrahiert werden.

Videostitching und extrahierte Fahrbahnen. (a) Abdeckung des Untersuchungsgebiets durch Stitching von sechs Drohnenvideos (Bild erstellt von DataFromSky); (b) extrahierte Fahrbahndaten.
Übrigens: „Mitra“ bedeutet in Sanskrit auch „Freund“. Möglicherweise haben unsere Forschenden einen Datensatz kreiert, der zu einem hilfreichen Begleiter für die Forschungsgemeinschaft werden wird.
Originalautor
Kontakt
Professur für Ökonometrie und Statistik, insb. im Verkehrswesen
Ankit Chaudhari
wissenschaftlicher Mitarbeiter
Tel. +49 351 463-36878
E-Mail ankit_anil.chaudhari@tu-dresden.de
Letztendlich war es ein komplexes Unterfangen – aber eines, das sich mit einem Datensatz ausgezahlt hat, von dem wir glauben, dass er für die Forschungsgemeinschaft äußerst wertvoll sein wird. Wir möchten uns ganz herzlich beim Team von DataFromSky für die Trajektorieextraktion und die Koordination mit den Drohnenpiloten von Immagini al Volo bedanken, welche diese komplexe Aufnahme erst möglich gemacht haben.